Gesang auf das Leben
Kerkerjahre. Als Geiseln der uruguayischen Militärdiktatur
Geiseln der uruguayischen Militärdiktatur (1973-1985). Lucía Topolansky und José Mujica
Bei dieser Satire zu den Vorgängen um Q ANON, Anhänger von Donald Trump, die diesen zu einer Art Messias verklären, ver-suche ich einmal etwas Neues. Der eigentliche Text ist der Subtext. Nur hier macht diese zu Beginn noch ernst gemeinte und rationale, dann zunehmend wahnhafte Retourkutsche Sinn.
Dass rechte Verschwörungstheoretiker mit QAnon eine Idee von Wu Ming Autoren pervertieren ist typisch, denn es ist eigentlich nicht allzu schwer zu erkennen, wie sie denken oder nicht denken. Neben alternativen Fakten, die früher Lügen hießen, stimmen einzelne Fakten (bei mir stimmen alle), aber der gebildete Zusammenhang ist irre. Hier nachzuempfinden:
Achtzig Jahre soziale Revolution in Spanien
Juan Garcia Oliver und die Macht als trügerisches Mittel zur Revolution
Emma Goldman: "Wenn ich nicht tanzen kann, ist es nicht meine Revolution."
Taksim - Wasser nässt Wurzeln, scheidet sich
und wir, gesprenkelt im Schatten der Blätter alter Bäume,
fröstelnd hören wir nachts das Flüstern von Geistern,
Armenier, die diesen Ort in ihren Träumen besuchen - und wir?
Als die Mächtigen die Bäume fällen wollen
- unsere Großmütter, Großväter,
sie nähren uns, schützen uns
Wind zerzaust Blätterhaar,
murmeln zornig die Quellen am Berghang,
die aus Farn und Stein brechen,
rauschen die Wälder und Olivenhaine,
verbundene Wesen von Weisheit und Macht.
Es heißt, einst sind die ersten Menschen aus Bäumen hervorgetreten.
Grenzenlos träumt Siddhartha Gautama
unter einem Baum, wird zum Buddha.
An der Esche Yggdrasil hängt Schamane Odin,
gibt ein Auge, findet Wissen bei den Nornen an den Wurzeln.
Quellen nässen Wurzeln,
werden zum Bach, sprudeln,
werden zum Fluss,
verbreiten die Nachricht.
Unten im Tal, in der Stadt, Istanbul,
färbt sich, bevor es ins Meer fließt,
unser Wasser blutrot,
dort, wo sich Asien mit Europa durch eine Brücke verbrüdern will.
Brücken sind ineinanderfließende Träume,
doch diese ist vergiftet von dem Namen Selim I, Sultan,
mehr als vierzigtausend Menschen ließ er ermorden,
weil sie anders dachten als er.
Warum nicht "Dschalal ad-Din ar-Rumi Brücke"
oder "Nazım Hikmet Brücke"
oder "Brücke der Freiheit"?
Und dann
Gefängnisstore öffnen
und dann
begegnen wir uns
und es heißt nicht mehr:
Bist du türkisch, kurdisch, armenisch, griechisch, jüdisch, arabisch?
Stattdessen lächeln wir, tanzen auf der Brücke
und wir halten einander fest an den Händen,
trotzen der Macht mit ihrem gepanzerten Herzen.
Dem Cäsar Erdogan schleudern wir entgegen:
"Es regnet hinein in deine Krone aus Gier und Grausamkeit!
Geh!"
Dann kann es vielleicht wieder "Tage geben wie Pfirsiche"
wird es kein "reicher" oder "mächtiger" mehr geben,
kein Besitzen.
Denn die Brücke und die Stadt gehören allen Menschen,
der Park mit den Bäumen in denen Geister wohnen,
der Taksim Platz - allen Menschen
Land, Häuser, Fabriken - allen Menschen!
Keine Sultane mehr!
Denn wir teilen,
denn wir erkennen uns,
unter dem Blätterdach der Bäume trinken wir
das Wasser des Lebens!
Die vergangenen und sogar die noch anhaltenden Kämpfe um Land und Freiheit waren und sind heute kaum gegenwärtig. Selbst der Aufstand der Zapatista im südmexikanischen Regenwald - obwohl unbesiegt – wird von den gesteuerten Themen der Mainstreammedien verdeckt. Viele Menschen sind noch immer nicht mit libertärer Geschichte oder Ideen in Kontakt gekommen. Also will ich versuchen, Vergessenes einzufangen, nicht nur als kurzen Lexikoneintrag oder als Fußnote im akademischen Treiben. Ich möchte an die Narren mit „den Idealen Don Quichottes“ erinnern.
Horst Stowasser hat dies unter anderem in seinem Klassiker "Leben ohne Chef und Staat" und in seinem Grundlagenwerk "Anarchie" für die Nicht-Fiktion unerhört gut gemacht. Ich möchte mitwirken, diese scheinbar unmögliche und doch so notwendige Idee, nämlich die der Verbindung von Gemeineigentum und Freiheit, wieder mehr in die Literatur zu holen. Möchte auch an das Wirken von Anarchistinnen und Anarchisten in den beiden großen sozialen Revolten im Europa des 20. Jahrhunderts erinnern, die an den entgegen gesetzten Enden des Kontinents stattfanden: Im Osten die Russische Revolution 1917-1921, im Westen die soziale Revolution während des spanischen Bürgerkriegs 1936-1939. Beide Male waren es Menschen, die sich „Kommunisten“ nannten, die Freiheit und Selbstverwaltung in der Revolution niederschlugen. Die Kronstädter Matrosen hatten in der Revolution 1917 in St.Petersburg in der ersten Reihe gegen die alte Ordnung gekämpft. Die Partisanenarmee von Machno hatte die Weißen Armeen Denikins und Wrangels geschlagen. Doch Kronstadt wurde von der Roten Armee gestürmt, die ukrainischen Bauern massakriert, Machnos Reiter verraten. Mein 1. Roman handelt davon, - aufgrund eines romantischen Anfluges des Verlegers Bernd Kramers sollte er „Die Flamme der Liebe und des Aufstandes“ heißen. Und die Kramers sind durch die Annahme meines ersten Manuskriptes, durch diese Ermutigung, mitverantwortlich dafür, das ich weiterschrieb.
Dann kamen die Begegnungen mit dem Londoner Arzt und Lyriker David Kessel und mit Burnicki und Halfbrodt: Bewunderung, denn der erste gibt den „Außenseitern“ Londons eine Stimme. Burnicki vereint in seinen Gedichten Kraft, Witz und eine große Zärtlichkeit, Halfbrodt ist zudem einer der besten Übersetzer aus dem Französischen ins Deutsche.
Wieso also schreibe ich? Verwischende Farben der Wirklichkeit und ein kaum hörbarer Seufzer der Sehnsucht: Wie können wir frei sein- während Mumia Abu Jamal, Leonard
Peltier und ungezählte andere Jahre und Jahrzehnte im Gefängnis sitzen oder vom Tod bedroht sind? Wie können wir frei sein in einer Welt, in der ein Menschenleben oft nur zählt, wenn es ein damit
verbundenes Profitinteresse gibt?
Worte sind Pfeile, Pinsel, Farben, Steine, manchmal Speere.
Sie zielen auf die Wirklichkeit: Auf die der Vergangenheit und mit ihr die der Gegenwart, vor allem aber auf ihre mögliche Verwandlung. --- Oder anders ausgedrückt:
Die Geschichte der Freiheit, zu der viele faszinierende Geschichten manchmal fast vergessener Menschen gehören, ist vielleicht der wertvollste Teil der Vergangenheit– wir müssen sie also kennen und
in die Gegenwart holen, denn in jedem Moment wird die Zukunft neu geboren.